- Extremistenbeschluss
- Extremịstenbeschluss,Beschluss des Bundeskanzlers (W. Brandt) und der Länderregierungschefs vom 28. 1. 1972 zur einheitlichen Behandlung der Frage der Verfassungstreue im öffentlichen Dienst; wurde später in Bund und Ländern durch Erlass (»Radikalenerlass«) verbindlich gemacht. Aufgrund der Verpflichtung von Beamten, Angestellten und Arbeitern des öffentlichen Dienstes nach dem Beamtenrecht oder entsprechenden Bestimmungen für Angestellte und Arbeiter, jederzeit für die freiheitliche demokratische Grundordnung einzutreten, entscheidet der Dienstherr bei Pflichtverstoß über Maßnahmen im Einzelfall; begründete Zweifel an der Verfassungstreue eines Bewerbers für den öffentlichen Dienst rechtfertigen in der Regel seine Ablehnung.1976 scheiterte der Versuch, die Anforderungen an die Verfassungstreue für Angehörige des öffentlichen Dienstes gesetzlich zu konkretisieren. Die heutige Praxis in Bund und Ländern ist uneinheitlich. Die so genannte Regelanfrage, d. h. die (routinemäßige) Nachfrage bei den Ämtern für Verfassungsschutz, ob Erkenntnisse gegen Bewerber für den öffentlichen Dienst vorliegen, wird nicht mehr durchgeführt. Eine Überprüfung erfolgt nur bei konkreten Anhaltspunkten für verfassungsfeindliche Aktivitäten.In den neuen Ländern wird im Hinblick auf eine frühere Mitgliedschaft in der SED großzügig verfahren; freiwillige Mitarbeit für die Staatssicherheit ist allerdings nach dem Einigungsvertrag ein außerordentlicher Kündigungsgrund, wenn ein Festhalten am Arbeitsverhältnis deshalb unzumutbar erscheint.Die verfassungsrechtlichen Bedenken gegen den Extremistenbeschluss beruhen v. a. darauf, dass auch die Mitwirkung in einer nicht verbotenen Partei (Parteienprivileg) als Verstoß gegen die Treuepflicht gewertet werden kann. Das Bundesverfassungsgericht hat die auf den Extremistenbeschluss gestützte Praxis jedoch im Wesentlichen in der Entscheidung vom 22. 5. 1975 bestätigt. Auch der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte hat in der Entscheidung vom 26. 9. 1995 die Überprüfung der Verfassungstreue der Angehörigen des öffentlichen Dienstes gebilligt; allerdings legt er einen strengeren Maßstab an den Nachweis fehlender Verfassungstreue und die Verhältnismäßigkeit einer Sanktion an.
Universal-Lexikon. 2012.